Veröffentlichung: 12. September 2023
Vor 50 Jahren: Erstes Handballspiel im Rahmen deutsch-deutscher Sportbeziehungen
In diesen Tagen hat sich die Austragung eines besonderen Handballspiels zum 50. Male gejährt: Am Sonntag, dem 9. September 1973, trafen der SC Empor Rostock und Grün-Weiß Dankersen (heute GWD Minden) vor knapp 2.500 Zuschauern in der Sporthalle Marienehe (heute Fiete-Reder-Halle) in Rostock freundschaftlich aufeinander. Es war das erste offizielle Handballspiel im Rahmen der neu geschaffenen deutsch-deutschen Sportbeziehungen – vielleicht sogar die allererste deutsch-deutsche Sportbegegnung dieser Art überhaupt. Warum?
Wir erinnern uns: Bis zum Mauerbau 1961 gab es jährlich über 1.000 solcher freundschaftlicher Sportbegegnungen pro Jahr zwischen „hüben und drüben“ ohne große staatliche Weisung oder Erlaubnis. Danach wurde das so gut wie unmöglich – mehr noch: Die Olympischen Spiele in München 1972 bildeten den Höhepunkt im deutsch-deutschen Sportduell mit Medaillenvorteilen für die DDR. Die beiden Nationalteams des Deutschen Handballbundes (DHB) und des Deutschen Handballverbandes (DHV) der DDR spielten bei der olympischen Hallenhandball-Premiere in München eher „mittelmäßig“ und ohne Medaillen mit. Sie trafen dort auch nicht aufeinander – aber:
Am 21. Juni 1973 trat der zuvor von beiden Seiten ratifizierte Grundlagenvertrag der BRD und der DDR in Kraft, der in Artikel 7 ein „Abkommen über Zusammenarbeit auf einer Reihe von Gebieten (unter anderem Wirtschaft, Wissenschaft, Post- und Fernmeldewesen, Kultur und Sport)“ beinhaltete. Das war die staatspolitische Grundlage für eine fortwährende „Zusammenarbeit“ auf dem Gebiet des Sports allgemein bzw. des Handballs im speziellen.
So traten gleich bei der Premiere die beiden damals besten Vereinsmannschaften in Deutschland freundschaftlich gegeneinander an: Der SC Empor Rostock war 1973 DHV-Meister in der Halle, Grün-Weiß Dankersen zuletzt 1971 DHB-Meister in der Halle und auf dem Feld sowie 1970 IHF-Europapokalsieger. Wie genau die Vereinbarung für das Freundschaftsspiel mit diesen beiden Teams zustande kam und wer dabei (politisch oder verbandlich) als Fürsprecher oder Entscheider mitgewirkt hat, ist (bisher) nicht überliefert.
Bekannt ist aber, dass das Spiel 19:19 (8:13) endete. Rostocks inzwischen verstorbener Trainer Heinz Schmidt äußerte sich damals so: „Ich war mit dem Ergebnis und den Leistungen zufrieden. Den Zuschauern wurde einiges geboten.“ Und der Chronist (Helmut Bliesener aus Minden) des (westdeutschen) Fachmagazins „Deutsche Handballwoche“ (Nr. 37 vom 12. September 1973) schließt seinen Artikel so: „Mit den gezeigten Leistungen hat GWD dem bundesdeutschen Handball in der DDR einen guten Dienst erwiesen“. Das Rückspiel ein Jahr später gewann übrigens Rostock in der Mindener Kreissporthalle mit 16:15.
Dass es auf dem Spielfeld stets respektvoll-fair und anschließend geradezu fröhlich-freundschaftlich zuging, mögen die aktiven Zeitzeugen von damals bestimmt bestätigen oder sogar noch mit Details ausweiten. Diese Aktiven waren damals vor genau 50 Jahren dabei:
SC Empor Rostock: Klaus-Jürgen Prüsse und Bodo Wieland im Tor; Reiner Ganschow (6/3), Rainer Schlette (6/3), Wolfgang Böhme (2), Siegfried Sanftleben (3), Lothar Paskuy, Günter Rosenow, Hans-Georg Jaunich (1), Gerhard Gernhöfer (1), Benno Voss, Klaus Fronert.
Der spätere DHB-Nachwuchstrainer Klaus Langhoff fehlte, weil er das Abschlusstraining am Vormittag verpasst hatte: „Ich war des Nachts erst von einer Reise als Co-Trainer mit der DDR-Nationalmannschaft aus der Bundesrepublik zurückgekommen.“
GW Dankersen: Wilfried Meyer (Martin Karcher nicht eingesetzt) im Tor; Jobst-Erich Rehse (1), Gerald Schüler, Gerhard Buddenbohm, Gerd Becker (3), Bernd Munck (5/1), Otto Weng (6/2), Burkhard Krocker, Bernhard Busch (2/1), Hans Kramer (2).
Trainer war Fritz Spannuth (86); Wilfried Drögemeier fehlte wegen seines Jura-Staatsexamens.
Ein kleiner Nachtrag: Handball-Freundschaftsspiele im Rahmen des sog. deutsch-deutschen Sportkalenders, den die beiden Dachorganisationen Deutscher Sportbund (der BRD) und Deutscher Turn- und Sportverband (der DDR) jeweils vereinbarten, wurden dann bis zum Mauerfall im November 1989 zur (kleinen) Normalität in den beiden deutschen Staaten. Und für alle Handballvereine in ganz Deutschland könnte das historische Spiel zwischen Rostock und Minden vor exakt 50 Jahren jetzt ein willkommener Anlass sein, sich an die eigenen deutsch-deutschen Sportbeziehungen im Handball zu erinnern und womöglich neu aufleben zu lassen.
(Prof. Dr. Detlef Kuhlmann – DHB)
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