Veröffentlichung: 10. April 2024
Natürlich gibt es jede Menge Anekdoten, bunte Geschichten und Rückblicke auf große Momente. Doch ein stiller Moment ist der eindringlichste des Abends. Als Ani Schäffer darüber spricht, was GWD Minden für sie bedeutet, lauschen rund 160 Zuschauer im ausverkauften BÜZ am Johanniskirchhof gebannt ihren Worten.
Die wegen einer Lähmung auf den Rollstuhl angewiesene Anhängerin trägt ein GWD-Trikot. Natürlich. Sie kann in ihrem schweren Gefährt, dass sie geschickt manövriert, als einziger Talkgast des GWD-Sportstudios nicht auf die Bühne kommen. Doch auch unten im Publikum ist sie maximal sichtbar, wenn sie über das spricht, was der nun 100-jährige Handballverein für sie bedeutet. 2014 hat sie erstmals ein Spiel der C-Jungen besucht. Kurz darauf dann ein erstes Bundesliga-Spiel. Seitdem ist sie Fan. „GWD ist wie ein Schmerzmittel“ erzählt sie und betont den Wert der Begegnungen und Freundschaften, die der Verein ihr bietet. „Natürlich ist es mir wichtig, dass die Mannschaft gewinnt. Aber es ist viel mehr als das“, sagt sie.
Wie viel GWD Minden zu bieten hat, wird auch an anderen Stellen des zweiten Sportstudios deutlich. Beispielsweise wenn Norbert und Silvia Lutzer darüber reden, warum sie als Ehrenamtler hunderte Stunden investieren: „GWD ist ein Stück weit auch Familie geworden“, sagt Silvia. Beide gehören zu denen, die – wie man sagt – den Laden am Laufen halten. Stellvertretend für die Ehrenamtler im Verein stehen sie auf der Bühne. Bescheiden betonen sie, sie wüssten gar nicht recht, warum. Doch eine Weile werden sie noch für GWD aktiv bleiben, wird Norbert noch den Nachwuchs im Bulli kutschieren, denn er wünscht sich: „Noch einmal mit der B-Jugend deutscher Meister werden.“
Über dieses Ziel sprechen im Anschluss GWD-Nachwuchskoordinator Lars Halstenberg und A-Jugendtrainer Sebastian Bagats gemeinsam mit den beiden in der GWD-Jugend groß gewordenen Profis Max Staar und Mats Korte. Vom ersten Jugend-Nationalspieler Gerd Becker, der 1971 mit einem Jugendländerspiel die Kreissporthalle einweihte, bis hin zu U21-Weltmeister Florian Kranzmann spant sich der Bogen, der bei GWD ausgebildeten Top-Handballer.
Kleine Teile aus dem großen GWD-Puzzle werden am unterhaltsamen Abend im BÜZ hochgehoben, unter jedem Teil verstecken sich kleine Geschichten. Gerd Becker und Walter von Oepen berichten von ihrer Teilnahme an den Olympischen Spielen als Karrierehöhepunkt, sie erzählen von besonderen Momenten mit dem damaligen Bundestrainer Vlado Stenzel und erläutern, warum sie 1978 nicht mit Deutschland Weltmeister wurden. „Die Schulter wollte nicht mehr“, sagt von Oepen. Becker hatte damals der Prüfung als Zahnmediziner an der Uni den Vorzug gegeben. „Wenn ich gewusst hätte, dass wir Weltmeister werden, hätte ich mich wahrscheinlich anders entschieden“, bekennt Becker offen. Die Zuschauer, darunter GWD-Ikonen wie Friedrich Spannuth oder Herbert Lübking amüsieren sich prächtig.
Das gilt erst recht, als Artur Brand aus dem Nähkästchen plaudert. Rund 30 Jahre war er für GWD als Mann mit den heilenden Händen und kraftvollem Händedruck als Masseur tätig. Kummerkasten für die Spieler sei er nebenbei gewesen und Geheimnisträger. Auf der Liege hätte so mancher Spieler auch mal sein Herz ausgeschüttet.
Andreas Bock und Rüdiger Traub nahmen die Gäste zurück in die wilden 90er Jahre. GWD gelang damals der Aufstieg nach neun dunklen Zweitliga-Jahren zurück ins Oberhaus. „Wir haben zwar keinen Titel gewonnen, wie die Legenden hier im Publikum“, meinte Bock, damals Kreisläufer, in respektvoller Anspielung auf die gewaltigen Meisterfeiern der 60er und 70er Jahre „aber wir sind damals auch in Cabrios durch die Stadt bis zum Marktplatz gefahren. Und da waren dann durchaus ein paar Leute.“ Sie erinnern an legendäre Partys, an das Bosman-Urteil und die Umwälzungen in den Mannschaften. Und sie erinnern mit unterhaltsamen Anekdoten an die Weltstars bei GWD. An Musterprofi Talant Duschebajew, an Lebemann Stephane Stoecklin oder Wurfmaschine Aleksandr Tutschkin, der den Rechtsaußen nur als Anspielstation brauchte, wie Traub erzählt.
Philipp Koch, Historiker und Handballexperte mit GWD-Vergangenheit unter anderem als Co-Trainer des Bundesliga-Teams und Jugendcoach, beleuchtete die Entwicklung von GWD, den Wert von Heimat am Beispiel der aktuell nicht nutzbaren Kampa-Halle, sowie die überragende Bedeutung von GWD Minden für die Region: „GWD ist, das kann man deutlich sagen, ein Aushängeschild der Stadt. Das darf und muss man wertschätzen“, betonte Koch. Der Museumsleiter stellte zudem kurz die im Mai anlaufende Ausstellung „Kleine Tore – Große Sprünge“ vor, die sich mit zahlreichen Angeboten dem Handballsport in Westfalen und dem Rheinland widmet.
Nach rund drei Stunden endet das zweite und letzte Sportstudio, das GWD Minden im Jubiläumsjahr auf die Beine gestellt hat. Weiter gehen die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Geburtstag am 31. Mai mit dem Festakt im Mindener Rathaus.
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