Veröffentlichung: 10. Mai 2023
Dieter Waltke ist zwar vor knapp fünf Jahren aus dem Schuldienst ausgeschieden, bis dahin arbeitete er am Söderblom-Gymnasium Espelkamp, aber er ist immer noch ausgesprochen aktiv. „Jimmy“, wie in Anlehnung an den Musiker Jimmy Hendrix seit Jahrzehnten wegen seiner langen Haare genannt wird, fährt viel Fahrrad, spielt Tennis in der Verbandsliga der Herren 60 beim TV Sachsenroß Hille. In der Gemeinde wohnt er zusammen mit seiner Frau Heidi. Dort baut er Gemüse an und kümmert sich um seine noch immer rüstige, 94-jährige Mutter, die in Südhemmern lebt.
Jimmy Waltke ist einer der vielen Vertreter der goldenen Hallenhandball-Ära von Grün-Weiß Dankersen. In den siebziger Jahren zählte GWD zu den drei deutschen Topklubs, wurde zwei Mal Deutscher Meister und gewann drei Mal den DHB-Pokal. Den markantesten Titel aber holte Waltke mit der deutschen Nationalmannschaft, und der Anteil, den der Dankerser Linksaußen am Weltmeistertitel von 1978 hat, war und ist legendär und eine der verrücktesten Geschichten der deutschen Sportgeschichte.
Die Linksaußenposition hatte Bundestrainer Vlado Stenzel mit Arno Ehret vom TuS Hofweier besetzt. Waltke war nur die Nummer zwei. Zu den in Aussicht gestellten Einsatzzeiten sei gesagt: Bis zum Finale in Kopenhagen gegen die Sowjetunion hatte Jimmy nicht eine Sekunde gespielt. „Ich wollte meine Koffer schon packen und abreisen, als Stenzel mir am Tag vor dem Finale gesagt hat, dass ich spiele“, blickt er zurück.
Doch daraus wurde nichts, zumindest vorerst. Bis zu 39. Minute: Stenzel nimmt beim Stand von 13:12 für Deutschland Ehret heraus, um ihm einen Abwehrfehler zu erklären und wechselt Waltke ein. Dieser lässt sich nicht zweimal bitten, nimmt sich einen Wurf von Linksaußen und trifft zum 14:12. Beim nächsten Angriff der klar favorisierten Sowjets gewinnt die deutsche Abwehr den Ball, Heiner Brand schickt Jimmy mit einem langen Pass auf die reiste und der trifft zum 15:12.
„Da habe ich mir gedacht: Wenn das so gut läuft, dann geht auch ein Wurf aus dem Rückraum“, erinnert er sich lachend. Tatsächlich findet er eine Lücke in der hochgewachsenen UdSSR-Abwehr und trifft von hinten zum 16:12. Dann passiert das Unglaubliche: Stenzel wechselt den Hattrick-Schützen aus und Ehret wieder ein. Deutschland rette ein 20:19 über die Zeit und ist Weltmeister. Vlado Stenzel ist der Magier, nicht mehr und nicht weniger.
„Das ist alles Quatsch. Ich bin bis heute fest davon überzeugt, dass meine Auswechslung nichts mit einem genialen taktischen Schachzug zu tun hat. Stenzel war in das Gespräch mit Ehret vertieft und hat gar nicht mitbekommen, dass ich die drei Tore gemacht habe.“
Dennoch hätte es schlechter laufen können für den heute 69-Jährigen. In diesen lediglich 193 Sekunden, in denen er die Treffer vom 14:12 bis 16:12 erzielte und dem Finale damit maßgeblich seinen Stempel aufdrückte, wurde er landauf, landab zu einer Handball-Legende, zum Joker der Nation. Selbst Nachrichtenmagazine wie „Der Spiegel“, greifen diese unglaubliche Geschichte immer mal wieder auf.
Jimmy Waltke war nicht der einzige Weltmeister von 1978, der bei Grün-Weiß Dankersen spielte. Der andere war Torhüter Rainer Niemeyer. Heute ist es üblich, dass es bei Titelgewinnen große Empfänge gibt. Das war 1978 noch anders, wie Jimmy sich erinnert: „Der Mannschaftsbus hat uns nach dem Titelgewinn an einer Raststätte der Autobahn 30 abgesetzt. Da haben unsere Frauen uns abgeholt.“
Rainer Niemeyer starb nach schwerer Krankheit im Mai 2016, kurz vor seinem 61. Geburtstag. Zum Ableben des Freundes sagte Jimmy unlängst: „Wir kommen beide aus Südhemmern, unsere Väter waren bereits befreundet. Wir haben beide in Bielefeld studiert und uns mit der Fahrerei abgewechselt. Wir haben viel mit unseren späteren Frauen unternommen, haben auch Doppelkopf zusammengespielt und so weiter. Es ist sehr, sehr traurig, dass er so früh gehen musste.“
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