„Wenn ein Tor gefallen ist, hat man sich erst einmal unterhalten.“
Bundesliga | 21. Feb 2014

Könnt ihr euch zu Beginn einfach gegenseitig vorstellen?

Gerhard: Nils ist für mich ein Nachwuchsspieler mit einem guten Niveau, seine vorrangigen Fähigkeiten liegen in der Abwehr. Er kann Abwehr denken und genau da sind seine Stärken, dort liegt auch seine Zukunft. Im Angriff ist es eine Sache der Erfahrung, dass er zu viele Chancen liegen lässt. Im Umgang ist er sehr angenehm. Er weiß was er will, ist authentisch und ein guter Teamplayer.
Nils: Gerd ist für mich jemand, der Erfahrung mitbringt, handballerisch wie beruflich: Er war Nationalspieler, hat viele Titel gesammelt, trotzdem ist er sehr heimatverbunden und bodenständig. Er spricht mit uns jungen Spielern, man kann gut mit ihm reden. Natürlich kommt da auch mal Kritik, aber das ist gut, davon kann man viel mitnehmen. Rundum ein angenehmer Mann.

Was ist für euch das Allerschönste am Handball?

Gerhard: Das Allerschönste ist eigentlich, Mitglied in einem hochkarätigen Team, wie ich es hatte, zu sein und alles für den Erfolg zu geben. Handball war meine Sportart. Ich habe erstklassig Handball spielen können und es ist schön, Erfolge durch wirkliche Arbeit zu erzielen.
Nils: Ich habe angefangen Handball zu spielen, weil mir der Teamsport und die Gemeinschaft gefallen haben. Das war in der Jugend und in der zweiten Mannschaft noch ausgeprägter. Jetzt als Profi ist es schon irgendwo ein Beruf, aber immer noch ein Faktor, der es ausmacht. Man kann sehen, dass man mehr Erfolg hat als andere, wenn man mehr arbeitet. Diese beiden Komponenten sind, neben dem Spaß an der Sache, entscheidend. Es ist schön, als junger Spieler schon seinen Lebensunterhalt mit Handball verdienen zu können.

Endergebnisse wie 12:9 waren, in deiner Zeit als Spieler, Gerhard, ganz normal. Was glaubst du, warum der Sport so viel schneller und dadurch auch torreicher geworden ist?

Gerhard: Zum einen natürlich, weil wir früher keine Profis, sondern größtenteils Studenten waren. Wir haben auch nur 2-3 mal die Woche trainiert. Sachen wie die schnelle Mitte, Zeitspiel oder Dreher von außen kannten wir damals noch gar nicht. Wenn ein Tor gefallen ist, hat man sich erst mal hinten in der Abwehr darüber unterhalten, was falsch war. Wenn heute ein Tor fällt, ist das egal. Es zählt nur, schnell genug nach vorne zu kommen.
Durch die Athletik, durch mehr Training ist der Sport schneller geworden, weil sich auch die Spieler schneller bewegen können. Technisch waren wir auch früher schon sehr gut. Es gab viel weniger technische Fehler, was heute aber sicherlich auch ein Schnelligkeitsproblem ist. Die Jugoslaven, die ´72 Olympiasieger wurden, haben auch keinen schnellen Handball gespielt, aber einen technisch sehr versierten. Außerdem konnten die Torleute dadurch auch viel mehr halten als heute.

Nils, Du spielst in einem der erfolgreichsten Bundesligaclubs Deutschlands (Platz 9 in der ewigen Tabelle, Anm. d. Red.). Nun sind die Erfolge schon eine Weile her. Ist das eher eine Motivation oder eine Last?“

Nils: Der Sport hat sich verändert, der wirtschaftliche Aspekt ist wichtiger geworden. Es wäre vermessen zu sagen, dass wir in den nächsten drei Jahren Deutscher Meister werden wollen. Das macht keinen Sinn. Eine gestandene Bundesligamannschaft zu entwickeln, ob das sportlich oder strukturell ist, wäre schon ein Ziel. Man sollte dabei aber immer wirtschaftlich gesund handeln. In dieser Saison ist das Ziel erst mal ein ordentlicher Platz über den Abstiegsrängen, dann kann man sich weiterentwickeln.

Ihr spielt beide auf der sozusagen „tragenden“ Position des Spiels in der Abwehr, die aber vielleicht nicht ganz so im Fokus der Zuschauer steht wie z. B. ein Rückraumspieler oder ein Torwart. Ist der Wunsch nach vorne zu gehen groß oder kann man gut darauf verzichten, weil man weiß, dass man seine Stärken in der Abwehr hat?

Gerhard: Klar, in der Zeitung stehen immer nur die Torschützen, davon hängt dein Image ab. Heiner Brand hat aber schon gesagt: „Ein Spiel wird aus der Abwehr heraus gewonnen“. Die schnelle Mitte wird aus der Abwehr heraus gespielt, dafür musst du den Ball erobern. Du musst dich in den Dienst der Mannschaft stellen, aber deswegen bist du nicht weniger anerkannt. Im Gegenteil: Es ist schon ganz wichtig einen Abwehrchef zu haben, der hinten Tore verhindert und die Deckung anleitet und zusammenhält.
Nils: Ja, klar. Ich bin 21 und hoffe, dass meine Entwicklung noch nicht vorbei ist. Ich möchte ein noch kompletterer Spieler werden, da musst du auch vorne spielen. Drei bis vier Tore pro Spiel wären eine bessere Marke als manchmal eins oder auch keins.

Nils und du, ihr habt eigentlich auf der gleichen Position gespielt. Hat sich in der Spielweise irgendetwas verändert?

Gerhard: Heute spricht man von schnellen Beinen. Die Abwehr ist schneller geworden, um immer am Gegner dran zu bleiben, weil der auch schneller ist und schneller reagiert. Ich komme vom Feldhandball, da haben wir Deckung als eine ganz andere Bewegung gelernt, mit viel mehr Antizipation. Mann musste ahnen wie die Laufwege und die Pässe sind, damit man früh genug da ist. Nils kann schon ganz gut lesen, was im Angriff passiert. Wenn du da permanent zu spät kommst, dann bekommst du zwei Minuten, einen Siebenmeter oder Freiwurf.

Anderes Thema: Ihr beide hattet bestimmt schon viele Trainer. Wie unterscheiden sich die Trainer, sind sie alle individuell oder gibt es verschiedene Trainer-Typen und wenn ja: Unter welchem arbeitet ihr am liebsten?

Nils: Ich spiele seit zwölf Jahren Handball und ich hatte wahrscheinlich ebenso viele Trainer. Es ist gut, wenn du unter einem Trainer länger arbeitest. Dann ist Kontinuität in dem, was er dir beibringt. Aber wenn du viele Trainer hast, hast du auch immer viele Perspektiven und Meinungen, die dir weiterhelfen. Es gibt den kommunikativen/kooperativen Trainer und solche, die das Ganze von oben herab angehen, beides hat seine Vorteile und Nachteile. Ich brauche auf jeden Fall eine autoritäre Person, vor der ich Respekt habe, die mir aber gleichzeitig auch Respekt wiedergibt. Jemanden, der mir Verantwortung schenkt und wenn ich diese erfülle, weiteres Vertrauen entgegenbringt. Was ich falsch mache weiß ich selber, aber wenn der Trainer mir sagt – und dass ist das schwierige dabei – wie ich es verbessere, dann ist es ein guter Trainer.
Gerhard: Meine Erfahrung sagt mir, dass ein zu demokratischer Trainer nicht zum Erfolg führt. Du musst eine gewisse Autorität als Trainer ausstrahlen und du musst kompetent sein. Wenn die Spieler merken, dass du nicht kompetent bist, dann hast du verloren. Für mich ist ein Trainer am besten, wenn er kompetent ist, der Mannschaft mitteilt was er will und das dann auch kommuniziert. Außerdem muss ein guter Trainer vor allem junge Spieler formen können.

Gerhard, du hast in der Nationalmannschaft gespielt. Nils, du in der Jugend ebenfalls. Wie unterscheidet sich das Training mit der Nationalmannschaft von dem im Verein?

Gerhard: Ich habe da plötzlich zusammen mit meinen Bundesliga-Gegenspielern trainiert. Das Training war bei uns hauptsächlich taktisch, nur wenig konditionell oder physisch. Laufwege wurden festgelegt und übernommen. Du musstest die Spielzüge verstehen und wissen, was du vorne und hinten zu tun hast. Die Zeit war sehr interessant und hat unsere Freundschaften bis heute erhalten. Die Hackordnung ist heute auch anders, da kommen die jungen Spieler und sind relativ schnell integriert. Bei meinem ersten Lehrgang in der Nationalmannschaft gab es einen erfahrenen Spieler, der hatte seinen Freund in der Mannschaft und ich kam in die Kabine und habe unwissend meine Sachen an dessen Haken gehängt. Da wurde mir gesagt „Da kannst du deine Sachen nicht hin hängen, da sitzt der und der.“ Als ich bei GWD anfing, war das auch so. Da hatte der Mannschaftsführer noch total viel zu sagen. Das vermisse ich heute ein bisschen. Die Rangordnung muss stimmen, das ist wichtig für den Erfolg und auch für das Klima in der Mannschaft.
Nils: Du hast in der Nationalmannschaft erst mal ein ganz neues Team um dich. In der Jugend habe ich dabei immer mit Gleichaltrigen trainiert und konnte so gut sehen, auf welchem Leistungstand ich bin. Die Hierarchie ist anders als im Verein. Da bist du als jüngerer Spieler weiter unten, beim DHB kannst du ganz schnell oben sein, sogar Kapitän werden.
Inhaltlich haben wir schon sehr viel athletisch gearbeitet, weil man sonst die großen Turniere körperlich gar nicht durchgestanden hätte. Mit Christian Schwarzer und Markus Baur hatte ich gestandene Nationalspieler als Trainer, von denen man wirklich viel lernt.

Eine Biographie wie die von Gerd ist ja mittlerweile selten: ein Verein, ein Job beim Hauptsponsor Melitta. Begrüßt du so eine Kontinuität oder gefällt es dir eher, wenn die Spieler die Vereine häufiger wechseln?

Nils: Ich glaube, ich bin jetzt auch schon seit 2008 bei GWD, also im sechsten Jahr. Bisher hat es mir gefallen, sonst hätte ich auch gewechselt. Wenn es sportliche oder finanzielle Aspekte gibt, für die man wechseln muss, muss man das tun. Aber früher war es ja auch so, dass Gerd nur über den Job Geld verdient hat. Wenn ich jetzt noch 10 Jahre bei GWD spiele und danach einen Job von einem Sponsor angeboten kriege, dann sage ich wahrscheinlich „Dankeschön“ und nehme den Lebenslauf gerne mit. GWD wird es in den nächsten Jahren voraussichtlich nicht schaffen, oben in der Bundesliga mitzuspielen. Da kann man gucken, was einem wichtiger ist: das Umfeld oder ob man sportlich voran kommen möchte.
Gerhard: Rückwärts betrachtet habe ich natürlich alles richtig gemacht. Ich bin trotz anderer Angebote nicht aus Minden weggegangen und habe nach dem Handball bei Melitta Karriere gemacht. Auch da hat mir der Sport geholfen. Durch den Sport habe ich gelernt wie man im Team arbeitet, ein Team führt. Werte des Sports kann man eben gut hinterher in den Beruf transferieren. Mein Kredo ist: Spiel so gut Handball wie es geht, verkauf dich so gut wie es geht, aber davon leben kannst du nicht! Wenn die Handballzeit zu Ende ist, musst du sehen wo du deinen Platz findest, womit du deine Familie ernährst, wo du selber weiterkommst.

Nils, wenn deine Karriere in der Zukunft mal zu Ende ist, was möchtest du im Rückblick über sie sagen?

Nils: Ich hoffe in etwa so: erfolgreicher Bundesligaspieler, bei dem das Karriereende nicht abrupt kam, gerne mit Familie . Ein Meistertitel wäre zwar schön, aber da spielen so viele Glückskomponenten oder Wechsel eine Rolle.

Als Abschließende Frage: Wo seht ihr GWD Minden in 10 Jahren?

Gerhard: 2024 haben wir 100-jähriges Vereinsjubiläum und auch dann soll GWD ein Markenzeichen im Sport sein. Tabellenplatz und Budget gehen heutzutage einher, das ist die einfache Formel. Wer viel Geld hat, hat bessere Spieler, hat einen besseren Tabellenplatz. Ich weiß aber auch, dass unsere Mittel hier in Minden begrenzt sind, unter anderem weil wir hier in der Region mit vielen anderen Topklubs teilen müssen. Es würde mich freuen, wenn wir mit unserer guten Jugendarbeit weiterhin Talente entwickeln, die bundesligatauglich sind. Ein Bundesliga-Mittelplatz, das wäre auf Dauer schön!
Nils: Obwohl Gerd das jetzt nicht gerne hört: Minden fusioniert mit dem TuS N-Lübbecke und spielt im EHF-Pokal!
Gerhard: Doch ich höre das gerne und ich finde gut, dass du das ansprichst. Das ist der Traum vieler. Ich muss nur Realist sein. Es hat vor 3 Jahren ein Gremium aus 3 Dankersern und 3 Nettelstedtern gegeben, ich war einer davon und da haben wir genau darüber gesprochen. Wenn man sich hier, in dieser Handballhochburg zusammen tun würde, dann könnte etwas Großes entstehen. Das könnte eine tolle Mühlenkreis-Mannschaft geben oder wie man sie nennen will. Die Leute hier lieben Handball, es gibt viel junge Menschen hier, die Handball spielen wollen, da ist in der Zukunft alles offen. Aber vor drei Jahren hat es nicht geklappt und heute wird es dieselben Gründe geben.

©  GWD Minden – lea

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